Bryn Terfel – leger in Strickjacke und Jeans mit einem breiten Lachen im Gesicht, im Hintergrund beeindruckende Bergzüge und ein großes Gewässer, in dem sich der Sonnenuntergang spiegelt: Nein, der aus einer nordwalisischen Bauernfamilie stammende Bassbariton ist nicht gerade auf seinem ländlichen Anwesen an der Küste von Wales vor die Tür getreten.
Der Schauplatz der Fotosession für das Cover von Homeward Bound ist vielmehr die felsige Landschaft auf Antelope Island, der größten Insel im Großen Salzsee im US-amerikanischen Bundesstaat Utah, und Sir Bryn kam mit dem Helikopter angereist. Der Flug mit dem Drehflügler war nötig; die Anfahrt zur Wunschlocation wäre aufgrund der geografischen Gegebenheiten über gewundene Straßen zu lang gewesen.
Terfel machte im Mai 2013 gerade Tonaufnahmen zu einem Mammutprojekt mit einem der größten Chöre der Welt, dem Mormon Tabernacle Choir. Der Chor, der sich seit 2018 The Tabernacle Choir at Temple Square nennt, hat seinen Sitz in Salt Lake City in der monumentalen Kirche am Tempelplatz, mit der das Ensemble eng verbunden ist.
Die Stadt am Ostufer wurde am 24. Juli 1847 von Mormonen gegründet. Nur 29 Tage später formte sich der Chor. Als 1849 eine große Gruppe sangesfreudiger walisischer Auswanderer in Utah eintraf, wuchs er beträchtlich. Heute zählt er 360 ehrenamtliche Sängerinnen und Sänger.
Der Geist der Einwanderer ist allgegenwärtig. Allein 213 Mitglieder des Chors, die an Homeward Bound mitwirkten, sind walisischer Abstammung. Terfel war es daher ein Anliegen, sowohl die gemeinsame Geschichte als auch das kulturelle und musikalische Erbe mit diesem Album zu feiern. Seine Auswahl von klassischen, geistlichen, walisischen und amerikanischen Volksliedern hat eines gemein: das Thema Heimat, sei es eine geografisch irdische Heimat oder eine spirituell religiöse, im konfessionsübergreifenden Sinn.
© Adam Barker / DG
In der Zusammenarbeit mit den Musikensembles der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage konnte Terfel an frühere gemeinsame Projekte anknüpfen: Bereits 2003 hatte er an einem Weihnachtskonzert mitgewirkt und auch bei der Wiedereröffnung des renovierten Tabernakels vier Jahre später war er als Sänger zu Gast. Ebenso war der Chorleiter Mack Wilberg bereits sein künstlerischer Weggefährte gewesen, hatte er doch für frühere Alben von Terfel Arrangements geschrieben.
Sid McLauchlan, langjähriger Aufnahmeleiter von Deutsche Grammophon und stets zuständig für Projekte Terfels, sorgte für die bekannte klangliche Brillanz. Ihn beeindruckte die Hingabe und Professionalität des Laienchors.
Eine Woche lang wurde intensiv gearbeitet. Ein Video fängt die Atmosphäre von Stadt, Landschaft und künstlerischem Miteinander ein. Wer genau hinsieht, kann zwei Szenen aus der Fotosession entdecken:
Im dicht getakteten Aufnahmeplan fand sich nur ein schmales Zeitfenster für die Fotografien. Terfel flog spätnachmittags direkt von den Tonaufnahmen zum ausgewählten Schauplatz. Das Ufer des Salzsees liegt auf beachtlichen rund 1280 Metern Höhe (saisonale Schwankungen können um mehrere Meter differieren) und ist umgeben von majestätischen Berggipfeln, die bis zu 2000 Metern über dem Niveau des Sees liegen.
Es waren besondere Gegebenheiten für das Fototeam. Normalerweise arbeitet die DG mit einem weltweit verteilten Stamm von Fotografen, mit denen das Label gute Beziehungen etabliert hat. Doch Utah war selbst für DG Neuland, sodass das Management des Chors mit Empfehlungen von örtlichen Profis half. Die Wahl fiel auf Adam Barker, einen Fotografen aus dem nahe gelegenen Cottonwood Heights. Seine exzellenten Ortskenntnisse erwiesen sich als äußerst förderlich.
Durch seine Leidenschaft für Wandern und Wintersport kannte Barker das Gelände bestens und nach sorgfältiger Vorbereitung wusste er genau, an welchem Standpunkt zu welcher Uhrzeit das beste Licht für das jeweilige Motiv herrschte. Er lenkte das Team freundlich, aber bestimmt nach einem straffen Zeitplan von Fels zu Fels und sorgte so für perfekte Bedingungen, um seine bereits im Vorfeld geplanten Bildkompositionen umzusetzen. Die sanfte und warme Lichtstimmung auf den Fotos verdankt sich also nicht der nachträglichen Bearbeitung der Fotos auf dem Computer, sondern exakter Vorbereitung durch den Fotografen in Zusammenarbeit mit der größten Künstlerin überhaupt: der Natur.
Was man auf den idyllischen Aufnahmen allerdings nicht sieht, sind die Myriaden von Mücken, die das Fototeam in der Abenddämmerung umschwärmten. So überwältigend war ihre Angriffslust, dass alle Teilnehmer der Fotoexpedition trotz sommerlicher Temperaturen lange Kleidung trugen und zusätzlich Gesicht und Hände mit Moskitonetzen umhüllten. Dass Bryn Terfel auf den Bildern dennoch so entspannt wirkt, spricht für seine gut gelaunte Offenheit, an diesem Abenteuer mitzuwirken und so seinem Herzensprojekt Homeward Bound zum Erfolg zu verhelfen.